Baumwollernte in den USA

Hier berichten User über die Dinge die sich auf den Feldern tun.

Baumwollernte in den USA

Beitragvon nick » Di 6. Nov 2012, 21:35

Hallo ihr,

heute hat Manny je netterweise die ersten Bilder von der Baumwollernte hier in Kalifornien hochgeladen, und deswegen möchte ich dazu an dieser Stelle dann auch mal ein paar erklärende Worte schreiben – denn der Anbau und vor allem die Ernte von Baumwolle ist ja in Deutschland doch ehr unbekannt.

Also, die Baumwolle wird im Zeitraum April / Mai gesät, und darf bis Oktober wachsen. Die Erntesaison beginnt am 1. Oktober, und dauert ziemlich genau bis zum 31. Oktober an. Dabei wird in der Regel zweimal auf dem gleichen Feld geerntet. Der so genannte „first pick“ und „second pick“. Beim „first pick“ bleiben meist noch nicht ganz aufgesprungene Samenkapseln zurück, die dann noch die Gelegenheit haben, etwas Nachzureifen, wobei beim zweiten Durchgang die Erträge schon deutlich geringer ausfallen, und je nach Cotton-Preis und Diesel Preis auch schon mal ausbleibt. Da die Pflanze zumindest hier in Kalifornien einjährig ist, wird sie anschließend mit gezogenen Schlegelmulchern (geschätzt 9-10 Meter Arbeitsbreite) geschlegelt, und dann mit der Scheibenegge untergearbeitet. In anderen Landesteilen habe ich gehört, wird sie auch zweijährig genutzt.

Die Ernte ist aber für uns Maschinenfans mit Sicherheit der interessanteste Zeitraum. Die Fotos sind im Wesentlichen auf den Flächen von Hanson Ranches und J.G.Boswell in und um Corcoran, California entstanden. Zu Hanson Ranches habe ich leider keine Informationen gefunden, und auch zu Boswell sind die Infos im Netz doch ehr knapp. http://en.wikipedia.org/wiki/James_Griffin_Boswell
Vielleicht so viel: Boswell ist angeblich einer der weltweit größten privaten Farmer, und bewirtschaftet in und um Corcoran ca. 135.000 acres (2,471 ac = 1 ha). Davon sollen dem hören sagen nach ca. 90.000 ac Cotton sein. Neben einem großen Cotton Gin (Weiterverarbeitungsanlage für Cotton) hat Boswell auch noch ein eigenes Tomatenverarbeitungswerk, weil Tomaten, Zwiebeln und Weizen werden ebenfalls angebaut.
Die Fläche von 135.000 ac entspricht laut Wikipedia übrigens 550 km² oder 55.000 ha und ist damit genau so groß wie die Land- und Wasserfläche der Insel Texel. Bremen hat nur etwa 326 km², Hamburg ist mit um die 760 km² dann wieder etwas größer.

Hanson Ranches ist ebenfalls ein recht großes Unternehmen, aber kommt bei weitem nicht an die Größe von Boswell heran. Sie haben vielleicht 60.0000 bis 70.000 acre. Außerdem baut Hanson Ranches sehr viel Alfalfa an. Vielleicht erinnert sich noch der ein oder andere an meinen Blog von vor zwei Jahren. Seinerzeit hatte ich ein Wochenende mit Hanson Ranches zusammen gepresst, und auch die Bewässerung in dieser Gegend etwas genauer vorgestellt.
http://bigpackroadshow.blogspot.com/201 ... -come.html

Wie ihr auf den Bildern sehen könnt, wird die Baumwolle mit den doch recht imposanten John Deere Pickern geerntet. Sechs Reihen werden auf einmal abgeerntet. In den Vorsätzen sind hunderte feine Spindeln mit Widerhaken waagerecht auf einer großen rotierenden senkrechten Walze angeordnet, die die Baumwoll-Faser einfangen aus aufdrehen. Hinten im Vorsatz sind dann Abstreifer, die die Faser wieder von den Spindeln ablösen, und über einen Luftstrom in den Sammelbehälter blasen. Ist dieser voll, fährt die Maschine zum Feldrand, und lädt die geerntete Baumwolle in die Pressen über. Diese Pressen sehen auf den ersten Blick aus, wie Feldrandcontainer, haben allerdings keinen Boden und hinten eine große Tür. Oben läuft ein Schlitten mit einem hydraulischen Stempel. Der vorne sitzende Maschinenführer hat die Aufgabe, die Baumwolle mit diesem Stempel möglichst gut zu verdichten. Wenn ein Ballen fertig ist, wird die Hecktür geöffnet, die Maschine hydraulisch angehoben, und nach vorne weggezogen. Der Ballen bekommt eine Plane gegen Feuchtigkeit, und bleibt bis zum Abtransport am Feldrand stehen.

John Deere hat mittlerweile mit dem Modell 7760 auch eine Maschine im Angebot, die gleich große Rundballen mit den Abmessungen 2,4 x 2,4 Meter presst. Diese Maschine – laut online Kalkulator mit 782.000 Dollar Listenpreis veranschlagt – spart deutlich Arbeitskräfte ein, da das separate Pressen der großen Ballen am Feldrand komplett entfällt.

Bei der Firma Boswell habe ich übrigens 40 herkömmliche Cotton Picker und 4 neue, Rundballen Picker gesehen. Dazu kommen noch etwa 70 von den Ballenpressen, die natürlich auch alle von großen Traktoren gezogen werden.

Die Ballen stehen dann einige Tage am Feldrand, bevor sie von LKW zum Cotton Gin transportiert werden. In der Regel finden dabei LKW wie der rote Verwendung. Diese sind mit einer nach hinten kippbaren Ladefläche ausgestattet, die einen langen Kratzboden besitzt. Der LKW fährt langsam rückwärts unter den Ballen, und der Kratzboden nimmt ihn dabei auf. Boswell spielt da jedoch in einer deutlich anderen Liga. Aber dazu mehr nach dem nächsten Bilder Update.

Grüsse aus dem sonnigen und mit 20 Grad doch jetzt etwas kühleren Kalifornien
Niklas
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Re: Baumwollernte in den USA

Beitragvon nick » Fr 9. Nov 2012, 20:49

Moin moin,

nachdem nun die anderen Bilder ebenfalls online sind, noch ein paar weitere Worte zum Ernteverfahren.
Nachdem die Ballen am Feldrand einige Zeit zwischengelagert werden, geht es früher oder später mit ihnen zum Cotton Gin.

Dort sieht der weitere Verarbeitungsprozess wie folgt aus:
Zunächst werden die Ballen mit großen „Staubsaugern“ aufgelöst, und die Faserbüschel werden über Rohrleitungen den weiteren Verarbeitungsschritten zugeführt. Zunächst wird die Baumwolle von ca. 12% Feuchtigkeit auf 6-7% Feuchtigkeit herunter getrocknet. Dieses geschieht mit großen Warmluftgebläsen. Anschließend muss der Dreck, aber vor allem der innen liegende Samenkern entfernt werden. Dazu werden die einzelnen Flocken über Walzen mit feinen Fingern gekämmt, so dass letztendlich die Faser zwischen den Fingern ist, und das Samenkorn außen liegt. Dann gibt es zwei Verfahren, um das Samenkorn von den Fasern zu trennen. In dem gezeigten Cotton Gin geschieht dieses mittels einer sägezahnartigen Gegenwalze. Die Zähne schlagen das Korn von den Fasern. Bei dem anderen Verfahren werden die Samenkörner mit Messern von den Fasern abgeschnitten.
Die Samenkörner gelangen direkt nach außen unter ein großes Überdach, und werden von dort aus LKW weise als Viehfutter verkauft.
Die Fasern werden in einem nächsten Schritt weiter von Samenkapselrückständen und Dreck befreit. Das Ergebnis ist schneeweiße Baumwollfaser. Diese wird noch wieder mittels Bedampfung auf etwa 9-10% Feuchtigkeit gebracht, bevor sie in einer stationären Presse zu Ballen zusammengepresst und mit einer Drahtbindung versehen in große Leinentüten gepackt oder aber mit Wickelfolie eingewickelt wird.
So verpackt geht es dann nach Übersee (Indien, Bangladesch, China, etc.) wo aus den Fasern Baumwollfäden gespinnt werden.

Die feinen Reste oder minderwertige Baumwolle, bei der die Fasern nicht lang genug sind, werden übrigens als Füllmaterial in Jeans-Stoff mit eingewoben.
Von dem von mir besuchten Cotton Gin ist Levis Strauss in San Francisco u.a. ein Abnehmer.

Neben dem Cotton Gin seht ihr aber auch noch Bilder von dem neueren und weniger arbeitsintensiven Ernteverfahren – nämlich von den Cotten Pickern, die gleich Rundballen Pressen. Bei diesen Maschinen entfallen alle Arbeitsschritte, die zur Herstellung und Verladung der Großballen notwendig sind. Die Ballen werden dabei in zwei Lagen vorab abgelängte Plastikfolie gewickelt. Es ist also nur genau ein Ballendurchmesser möglich. Zuerst wird eine Folie benutzt, die sich nicht elektrostatisch aufladen kann. Dann kommt eine deutlich stabilere Plastikfolie zum Binden der Ballen zum Einsatz. Die Rundballen können, sofern sie sauber am Feldrand abgelegt werden, mit den herkömmlichen KLW mit Kratzboden aufgenommen und transportiert werden. Jeder Picker kann seinen Ballen so lange mit sich herum schleppen, bis er den Feldrand erreicht, bzw. bis der nächste Ballen fertig ist. Boswell setzt derzeit vier der über 780.000 Dollar teuren Maschinen ein. Diese Maschinen sind so groß, dass sie auf 4 LKW verladen in Teilen zum Kunden kommen. Dort werden sie final zusammen gebaut.

Dann seht ihr noch Bilder von dem XXL Verladegerät, dass Boswell gleich zweimal besitzt. Einmal zum be-, und einmal zum entladen auf dem Hof. Etliche überbreite Trucks (ca. drei Meter breit) bringen die etwa 13,5 x 3 Meter großen Ballen zum eigenen Cotton Gin in Corcoran. Ca. zwie Minuten braucht die Maschine zum verladen eines Ballens, und ich habe ungefähr 40 LKW gesehen, die für Boswell nur Baumwolle fahren. Übrigens, zum Umsetzen dieser laut meiner Infos in Australien gebauten Maschine hält immer der letzte LKW her. Die Maschine fährt über den LKW, hebt alle Räder an, und ohne jegliche Ladungssicherung geht es auf den zum Glück breiten Wegen mit geschätzten 9 Metern breite mit 60 mph zum nächsten Einsatzort.

Gruß Niklas
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Re: Baumwollernte in den USA

Beitragvon norbert h » Fr 9. Nov 2012, 21:18

Hallo Nick,

tolle Bilder mit denen Du uns an Deinem Aufenthalt in den USA teilhaben läßt.
nick hat geschrieben:Diese Pressen sehen auf den ersten Blick aus, wie Feldrandcontainer, ...
Das war auch mein erster Gedanke und bin direkt an den Kleiderschrank und habe an ein paar Baumwollkleidungsstücke an die Nase gehalten. Konnte damit aber meine Sorge zerstreuen!
Was hat so ein Cotton Picker denn für eine Motorleistung und wieviel ha/acre schafft so eine Kiste in der Stunde? Was gibt es da an Baumwolle pro ha/acre?
Dieses XXL-Verladeteil ist ja auch ein uriges Gerät, erinnert mich irgendwie an eine Gottesanbeterin, zumindest wenn gerade kein Ballen verladen wird.

Gruß Norbert

PS: Durftest Du die Woche eigentlich auch wählen oder bist Du dafür noch nicht lange genug drüben? :D
Wir müssen ja sowieso denken, warum dann nicht gleich positiv? (Albert Einstein)
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Re: Baumwollernte in den USA

Beitragvon Reiner B » Sa 10. Nov 2012, 02:00

Hallo Nick,

super Bilder von deiner Baumwollernte und ein klasse ausführlicher Bericht dazu, klasse sehr interessant finde ich. Hier in Deutschland wird man so etwas wahrscheinlich nie beobachten können.

Freu mich auf weitere Bilder und Berichte aus den USA (oder sonst wo in der Welt ) von dir.

Gruß

Reiner B.
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Re: Baumwollernte in den USA

Beitragvon nick » Sa 10. Nov 2012, 05:05

Hallo Norbert,

wählen durfte ich zum Glück noch nicht - die Amis sehen ja schon einen "civil war" vorraus, um Obama entlich zu stürzen, und da ist es vielleicht besser, wenn man mit dieser Wahl nichts zu tun hat - aber ich will hier nicht ins politische Abdriften.

Kommen wir lieber zum John Deere 7760 - so heißt das Monster ja.

PS: 530, mit Power Boost 560 aus einem 13,5 Liter 6 Zylinder
1325 Liter Diesel an Bord
1363 Liter Wasser an Bord (zum Befeuchten der Baumwolle)
303 Liter Schmiermittel zum schmieren des Vorsatzes
6 reihiger Vorsatz
12 Meter lang
5,3 Meter hoch
31,6 Tonnen schwer
Max Geschwindigkeit 25 km/h

Im Feld so geschätzt mit 4,5 - 5 mph (7-8 km/h) unterwegs

Über Erträge habe ich nicht viel herausfinden können - die mexikanischen Fahrer waren zwar sehr freundlich, nur mein Spanisch ist nicht besonders gut.

Aber zurück zum Thema - wenn du mehr infos suchst, google einfach mal nach "John Deere 7760" englisch ist ja kein Problem, auf der JD Website gibt es viele weitere infos.
Youtube hat auch einige Filme parat:
http://www.youtube.com/watch?v=zQQ-KwMPqtI

http://www.youtube.com/watch?v=aIquIpr5 ... re=related

Gruss Niklas
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